• Sailing7@lemmy.ml
    link
    fedilink
    Deutsch
    arrow-up
    36
    ·
    1 year ago

    Text hab ich mal rauskopiert, sind ne menge Trackingdienste, die ich vielleicht hiermit jemandem ersparen kann:


    NuScale: Dieser Traum von Kernkraftfans ist geplatzt

    Andreas Menn

    9 - 10 Minuten

    NuScale gescheitert Tiefschlag für die Nuklearindustrie

    Ein US-Vorzeigeprojekt für sogenannte Small Modular Reactors ist gescheitert. Das Unternehmen NuScale hatte zuvor die eigene Kostenschätzung massiv nach oben korrigiert. Nun müssen sich auch andere Staaten fragen, ob sie statt Uran nur Steuergelder verbrennen.

    Ziemlich genau ein Jahr ist es her, da schaffte es das US-Unternehmen NuScale in die begehrte Liste der „besten Erfindungen des Jahres 2022“ des Time-Magazins. „Reaktoren zu verkleinern macht die Kernkraft sicherer, skalierbarer und kostengünstiger – das ist die Idee hinter dem Small Modular Reaktor (SMR) von NuScale“, schrieb das Magazin. Und machte Kernkraftfans Hoffnung: Im Jahr 2029 könne im US-Bundesstaat Idaho das erste Mini-Kernkraftwerk in Betrieb gehen.

    Ein Jahr später ist der Traum geplatzt: Das geplante Kraftwerk werde nicht gebaut, meldete NuScale vor wenigen Tagen. Es sei unwahrscheinlich, dass sich genügend Kunden für die Energie finden würden. Der Projektpartner Utah Associated Municipal Power Systems teilte dem Magazin „Science“ mit, in der nahen Zukunft werde sich das Unternehmen stattdessen auf den Ausbau von Windenergie, Solarkraftwerken und Batterien konzentrieren.

    Es ist ein Tiefschlag für die Nuklearindustrie. Denn die SMR-Technologie galt zuletzt als ihre größte Hoffnung – und NuScale als einer ihrer Vorreiter. Die US-Regulierungsbehörde Nuclear Regulatory Commission (NRC) hatte erst im August das Design des NuScale-Reaktors als ersten Mini-Reaktor in den USA zugelassen. Im Jahr 2020 hatte die Trump-Regierung rund 1,4 Milliarden Dollar in das Projekt in Idaho gesteckt.

    Neben NuScale arbeiten Dutzende weitere Unternehmen an SMR, unter anderem setzen die USA, Großbritannien, Frankreich, China und Kanada Hoffnungen in die Technik. In einer Veröffentlichung über die Minimeiler zählte die Internationale Atomenergie-Organisation im Jahr 2020 mehr als 70 SMR-Designs auf. Regierungen und private Investoren wie Bill Gates steckten Milliarden von Dollar in die Entwicklung der Kleinkraftwerke, die Marktforscher von IDTechEx erwarteten gar einen Weltmarkt von 295 Milliarden Dollar im Jahr 2043.

    Massiver Kostenanstieg 

    Nun ist das Vorzeigeprojekt der Branche geplatzt. Und die Nuklearindustrie steht vor der Frage: War der Traum von kleinen, billigen, sicheren Reaktoren mehr Wunsch als Wirklichkeit?

    In den Präsentationen von NuScale sah alles zunächst nach einer strahlenden Zukunft aus. Der Mini-Reaktor des Unternehmens sollte in einen Behälter passen, 2,7 Meter breit, 20 Meter hoch, der nur ein Prozent des Raums eines konventionellen Kernkraftwerks einnehmen sollte. In einer Fabrik vorgefertigt, sollte er sich per Zug, Schiff oder Truck zur Kraftwerksbaustelle transportieren und dort installieren lassen.

    77 Megawatt Leistung sollte ein solcher Reaktor im Betrieb bringen. Das ist deutlich weniger als ein herkömmliches Kernkraftwerk, das häufig 1000 Megawatt pro Block bereitstellt. Doch im Vergleich dazu soll sich der kleine Reaktor von NuScale schneller bauen lassen, dabei weniger Material und Platz benötigen – und preiswerter sein. So die Idee.

    Die Wirklichkeit sieht anders aus. „Was das Projekt von NuScale am Ende gekillt hat, war seine schlechte Wirtschaftlichkeit“, sagt der Physiker M.V. Ramana, Nuklearexperte und Professor an der University of British Columbia. Die Ausgaben für das NuScale-Projekt in Idaho waren ursprünglich auf 5,3 Milliarden Dollar angesetzt. Doch Anfang 2023 schockierte das Unternehmen die Szene mit einer massiven Steigerung der geschätzten Kosten: 9,3 Milliarden Dollar wurden nun veranschlagt, 75 Prozent mehr. NuScale machte steigende Preise für Stahl, Kupfer und andere Werkstoffe dafür verantwortlich.

    Die Folge: Statt wie früher projiziert 55 Dollar pro Megawattstunde sollte der Strom aus dem SMR nun 89 Dollar kosten. Und darin waren bereits vier Milliarden Dollar an staatlichen Subventionen eingerechnet – ohne die würde der Strom noch viel teurer. Schon ein Jahr zuvor hatte der Energiethinktank Institute for Energy Economics and Financial Analysis kritisiert, der Reaktor von NuScale sei für die Energiewende „zu spät, zu teuer, zu riskant und zu unsicher“. Solarenergie plus Energiespeicher sei mit 45 Dollar pro Megawattstunde viel billiger – und werde immer preiswerter.

    Skalierbarer, kostengünstiger – das Versprechen aus dem Time-Magazin hat NuScale nicht eingelöst. Vielleicht schaffen es andere Start-ups, eine billigere, bessere Technologie zu entwickeln. Viele Beobachter sind skeptisch. Ähnlich wie bei größeren Reaktoren komme es bei SMR zu Verzögerungen und Kostenüberschreitungen, heißt es im „World Nuclear Industry Status Report“, einer jährlich erscheinenden kritischen Bestandsaufnahme der Nuklearindustrie. Darum gebe es „kein erkennbares Szenario, in dem sie selbst unter den besten Umständen wirtschaftlich werden könnten“.

    Skepsis an Umweltversprechen

    Das decke sich mit der historischen Erfahrung herkömmlicher Kernkraftprojekte, sagt Nuklearexperte Ramana. Eine akademische Studie habe ergeben, dass 175 der 180 untersuchten Kernkraftprojekte im Durchschnitt 64 Prozent länger dauerten als geplant und die Endkosten das ursprüngliche Budget um durchschnittlich 117 Prozent überstiegen. „Bei neueren Projekten sind noch höhere Kosteneskalationen und längere Verzögerungen zu verzeichnen.“

    Bei Minimeilern käme ein Nachteil hinzu: geringere Skaleneffekte. „Sie werden im Vergleich zu ihrer Leistung einen höheren Material- und Arbeitsaufwand haben als große Anlagen“, sagt Ramana, „und daher pro Einheit Leistung teurer sein.“ Die geschätzten Kosten für den NuScale-Reaktor in Idaho hätten pro Kilowattstunde 250 Prozent höher gelegen als die für das größere Vogtle-Kernkraftwerk in Georgia.     

    Und auch andere versprochene Vorteile der Technik, etwa weniger Atommüll, materialisieren sich bisher nicht. Eine Studie im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“, geleitet von Forschern der Stanford-Universität, erwartet sogar das krasse Gegenteil: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass die meisten kleinen modularen Reaktorkonzepte das Volumen der zu entsorgenden nuklearen Abfälle um einen Faktor von 2 bis 30 (…) erhöhen werden“, schreiben die Forscher. Ein Grund dafür sei, dass die kleineren Reaktoren mehr Neutronen freisetzten, die dann etwa Stahlteile radioaktiv kontaminierten.

    NuScale-Konkurrenten wie Rolls Royce oder TerraPower werben damit, dass ihre Technologie sicherer sei als bisherige Kernkraftwerke. Ein Tschernobyl könne es damit nicht geben, heißt es häufig. Das deutsche Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung ist skeptisch. Statt heute einigen hundert Standorten müsste es künftig tausende geben, schreibt die Behörde im Jahr 2021 in einem Bericht. Das erhöhe das Sicherheitsrisiko.   

    Der Energieboom passiert woanders

    Die Nuklearenergie-Agentur der OECD-Staaten setzt trotzdem große Hoffnungen auf die Minimeiler. Bis 2035 könnten 21 Gigawatt an Leistung ans Netz gehen, bis zum Jahr 2050 gar 375 Gigawatt. Das entspräche ungefähr der gesamten heutigen installierten Leistung an Kernkraftwerken weltweit. 15 Gigatonnen Kohlendioxid ließen sich damit in den nächsten 27 Jahren einsparen, so die Agentur.

    Klingt gewaltig. Doch der Branchenverband Solarpower Europe erwartet einen weltweiten Zubau von Solaranlagen von 341 bis 402 Gigawatt – allein in diesem Jahr. Ende des Jahrzehnts soll der jährliche Zubau schon bei 1000 Gigawatt pro Jahr liegen. In einem Jahr also fast drei Mal so viel, wie laut OECD in den nächsten 27 Jahren an Minimeilern aufgebaut werden könnte.

    NuScale will trotz des Misserfolgs in Idaho andere Projekte weitertreiben – etwa in Rumänien. Dort solle ein erster Minireaktor im Jahr 2029 in Betrieb gehen, hieß es zuletzt. Offen ist nur, warum sich dort mehr zahlende Kunden finden sollen als in den USA.