Die Regierung möchte zwei klimaschädliche Subventionen in der Landwirtschaft abschaffen und das Land soll lahmgelegt werden. Es klingt absurd, dass wegen des Wegfalls von durchschnittlich 2.883 Euro Dieselsubventionen die Lage so eskaliert wird.

Doch die Existenzangst ist groß und mit Angst ist es schwer rational zu bleiben. Denn die Existenzangst ist berechtigt.

1960 gab es noch 1,5 Millionen Höfe mit landwirtschaftlicher Erzeugung. 2019 waren es nur noch 266.500.

Vor allem kleinere Betriebe haben es schwer. Durchschnittlich ist jeder Betrieb heute 62 Hektar groß. 1960 waren es noch 8,7 Hektar.

Fünf Prozent der größten Höfe besitzen mehr als 40 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche.

Die Entwicklung ist politisch forciert. Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU wurde gegründet, weil sich Europa nicht selbst mit Lebensmitteln versorgen konnte und auf Importe angewiesen war. Anfangs hat man auf bestimmte Erzeugnisse Preisgarantien gegeben, damit sich der heimische Anbau lohnt und man nicht international konkurrieren musste.

In den 1990er Jahren liberalisierte man die GAP und es gab nur noch Flächensubventionen. Das heißt, dass für jeden Hektar, den ein Betrieb an landwirtschaftlicher Fläche besitzt, bekommt er eine Subvention im Jahr. 2023 waren das circa 156 €/ha. Diese Prämie wird unabhängig davon ausgezahlt, was oder wie man produziert. Das bevorteilt natürlich größere Betriebe, da sie sowieso schon durch einen besser ausgelasteten Maschinenpark bessere Skalierungseffekte besitzen.

Seit der GAP-Reform 2013 gibt es noch geringfügig Geld für Umweltdienstleistungen. Zum Beispiel für Flächenstilllegungen, Wiedervernässung oder ein kleiner Bonus für Jungbauern*. Dieser Topf ist nach massiven Protest auf 23,2 % der Gesamtsubventionen gestiegen. Sinnvoller wären kurzfristig 30 %, langfristig 70 %.

Neben der Forderung lieber Umwelt-, Artenschutz und Tierwohl zu belohnen, anstatt reinen Flächenbesitz, hat die „Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft e. V.“ (AbL) noch weitere sinnvolle Forderungen an die Politik gestellt.

So fordern sie eine Tierwohlabgabe auf „Billigfleisch“, mit dieser soll der Umbau für höhere Tierwohlstandards finanziert werden.

Eine weitere interessante Idee ist, die Grunderwerbssteuer für Landkauf dynamisch zu gestalten. Landwirtschaftsbetriebe mit überdurchschnittlichem Landbesitz sollen bei Landerwerb höhere Steuern zahlen als Kleinbetriebe.

Was aus meiner Sicht auch noch wichtig ist, ist das bei Handelsabkommen der Schutz des heimischen Marktes bedacht wird und wir die Landwirtschaft zum Beispiel nicht dafür opfern, dass wir irgendwo auf der Welt mehr Autos hinexportieren können. So muss der meist gute EU-Standard auf einmal mit zum Beispiel südamerikanischen Soja konkurrieren, der weniger Auflagen besitzt. Auswüchse wie die sogenannten „Chlor-Hühner“ konnten nur durch massiven Protest verhindert werden.

Umweltschädliche Subventionen wie die Dieselsubvention gehören abgeschafft. Dies aber zu tun, ohne die GAP-Zahlungen zu reformieren, war eine dumme Idee der Bundesregierung. Notfalls hätte man die Diesel-Subventionen für Betriebe unter 100 Hektar oder bis zu einem gewissen Umsatz beibehalten können, wenn man die Agrarreformen nicht schnell genug hinbekommen hätte.

  • Tiptopit@feddit.de
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    10 months ago

    Ich finde es auch problematisch, dass es keine (mir offensichtliche) Interessensteilung zwischen Agrarindustrie und bäuerlicher Landwirtschaft gibt. Von daher finde ich die Gemengelage wer sich da auf welchem Level beklagt und wie sehr das berechtigt ist, sehr undurchsichtig

    • trollercoaster@feddit.de
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      10 months ago

      Ich finde es auch problematisch, dass es keine (mir offensichtliche) Interessensteilung zwischen Agrarindustrie und bäuerlicher Landwirtschaft gibt.

      Das ist Absicht, denn wenn es eine brauchbare Interessenvertretung der bäuerlichen Landwirtschaft gäbe, könnte die Agrar- und Lebensmittelindustrie die Bauern nicht mehr so effektiv melken.

      Das “Melken” ist hier übrigens sehr wörtlich zu verstehen, denn im Bauernverband hat die Molkereiwirtschaft eine starke Position, deshalb sind inzwischen viele Milchbauern aus dem Bauernverband ausgetreten und haben sich in einem eigenen Verband organisiert. Es gibt auch noch einen anderen Verband, der sich hauptsächlich als Vertretung kleiner und mittlerer bäuerlicher Betriebe versteht, aber beide sind zu klein, um gegen den großen und mächtigen Bauernverband anzukommen.

      Insbesondere die Dienstleistungen des Bauernverbandes (Beratung zu Steuer- Rechts- und Sozialversicherungsfragen) sind für kleine Bauern leider wichtig und wahrscheinlich zu teuer, um von den kleinen Verbänden in dem Umfang angeboten zu werden, deshalb fällt da oft der Austritt schwer.

    • Sodis@feddit.de
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      10
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      10 months ago

      Die Interessensteilung ist doch ganz klar: Die bäuerliche Landwirtschaft fürchtet um ihre Existenz und die Agrarindustrie nutzt deren in der Bevölkerung positives Bild um ihre Interessen durchzusetzen. Win-win (für die Agrarindustrie)

      • taladar@feddit.de
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        10 months ago

        Kommt einem aus anderen Bereichen bekannt vor. Große Industrien schieben irgendwie immer die kleinen Vertreter ihrer Branche vor wenn es um Mitleid in der Bevölkerung geht.