Hintergrund: in einem Spiel hat einer einen Witz gerissen über einen Charakter der von einem Boss vergewaltigt wurde (tatsächlich: umgebracht). Woraufhin alle scheinheiligen Moralapostel ihr Monokel zurechtgerückt und sich in rechtschaffenem Zorn zusammengerottet haben, wie schrecklich der Witz doch wohl war.
Das hat mich als tapferen Rächer der Enterbten dazu veranlasst zu bedenken zu geben, daß der Charakter ja Gott sei Dank bloß totgeschlagen wird und nicht vergewaltigt, was viel schrecklicher gewesen wäre als eben bloß totgeschlagen zu werden.
Naturgemäß hat das bloß Öl ins Feuer gekippt, aber ich find die gesellschaftliche Entscheidung interessant daß “lieber tot als vergewaltigt” und dachte, ich schaue mal, ob bei Feddit eine rationalere, nuanciertere Konversation dazu geführt werden kann.
Bonuspunkt: eine Bekannte von mir meinte - ohne daß einer von uns beiden jetzt detailliert das breite Spektrum Todesarten mit dem breiten Spektrum an was alles an Vergewaltigungen gilt aneinander aufgerechnet hätten - daß Vergewaltigung natürlich schlimmer wäre als Mord. Das ich insofern zu Ende gedacht habe, daß man Vergewaltigungsopfern dann auch eine sichere und menschenwürdige Methode zum Selbstmord zu geben hätte, weil man sie sonst wortwörtlich zu einer Existenz verdammt die schlimmer ist als der Tod.
Meine Überlegungen dazu sind recht schlicht. Will ich meine Mutter lieber tot oder vergewaltigt? Will ich MICH lieber tot oder vergewaltigt? Will ich einen Schwanz im Arsch oder ein Messer im Bauch? Ist es eine gewaltlose Vergewaltigung, vielleicht nicht einmal penetrativ, oder eine medieneffektive Gruppenvergewaltigung mit viel Gewalt? Im Vergleich dazu ist es Tod via Stickstoff mit friedlichem einschlafen oder beim lebendigen Leib vom Bär gefressen werden? Schon drastische Unterschiede, die man bei Vergleichen miteinhalten sollte. Permanenz ist auch da. Bißchen tot wird schwierig, bißchen vergewaltigt geht relativ gut. Ausmaß des Traumatas? Und so weiter, und so fort.
Langer Rede kurzer Sinn: es ist seltsam für mich persönlich, daß Leute kein Problem damit haben wenn man Witze übers abgeschlachtet reißt, aber Witze über Vergewaltigungen sind Teufelswerk.
Gedanken dazu?
Schwierige Frage und ich denke nicht, dass man das irgendwie pauschal beantworten kann, und ich will es auch gar nicht versuchen.
Aber ein Punkt, der mir gerade beim Lesen kam: Ich denke ein großer Unterschied zwischen Mord und Vergewaltigung ist, dass Mord allgemein und eigentlich schon immer als schlimm anerkannt ist. Vergewaltigung wurde und wird auch immer noch oft heruntergespielt.
Witze über Vergewaltigungen sind also noch mehr als Witze über Mord Witze, die “nach unten treten”, also sich über etwas lustig machen, das sowieso oft kleingeredet wird. Dabei gibt es gleichzeitig viel mehr Betroffene.
In anderen Worten: Wenn jemand einen Witz über Mord macht, kann man in den meisten Kontexten davon ausgehen, dass die Person Mord trotzdem schlimm findet. Wenn jemand einen Witz über Vergewaltigung macht, würde ich mich schnell fragen, ob die Person jedes Nein akzeptiert.
Das könnte eine Rolle spielen bei der allgemeinen Reaktion, unabhängig davon, was jetzt schlimmer ist.
Interessanter Punkt. Besondere Vehemenz aufgrund bisweiligen/häufigen runterspielens, unabhängig davon was objektiv schlimmer wäre. Anderwo wurde paarmal erwähnt, daß Tod für die Hinterbliebenen schlimmer ist, Vergewaltigung potentiell für die Opfer. Und da Gesetze von Hinterbliebenen für Hinterbliebenen gemacht werden, haben Opfer halt Scheiße zu fressen.
Ist das nicht einfach nur Logik? Die Toten haben (zumindest im Diesseits) keine weiteren persönlichen Folgen von ihrem Dahinscheiden zu tragen. Die (psychische) Last liegt nur bei den Hinterbliebenen. Bei einer Vergewaltigung trägt das Opfer sowohl den physischen als auch noch psychischen Schaden, unabhängig von der Auswirkung auf Angehörige.
Gesetzte regeln unser soziales zusammenleben und die allermeisten davon haben nichts mit Hinterbliebenen zu tun. Und bei Straftaten ist mit zunehmender Schwere kaum noch ein angemessener Ausgleich für Opfer zu erreichen. Zumal das abstrakte Recht dies auch gar nicht lösen kann sondern lediglich versucht den Umgang mit Tätern in eine geregelte Bahn zu lenken. Den Opfern selbst wird selten dadurch geholfen, dass ihr Schicksal gegen ein anderes aufgerechnet wird. Viel wichtiger ist ihnen Hilfe anzubieten. Da wären allenfalls Gesetzte nützlich, die solche Hilfe staatlich zusichern.
Ja, ein angemessener Ausgleich für Opfer sollte auch nicht das Ziel sein. Die Genugtuung der Rache am Täter heilt das Trauma durch die Tat in den meisten Fällen wohl kaum. Der Fokus auf die Resozialisierung des Täters, so dass dieser keine Gefahr mehr darstellt, ist da schon sinnvoll. Das wird nur gern ausgeklammert, besonders, wenn es um emotionale Taten geht, zB gegen Kinder. Mit deinem Punkt zur besseren Unterstützung der Opfer stimme ich überein, das ist derzeit noch ein blinder Fleck im System.